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11. Februar 2019Peter Wesche
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Systemhaus-Leistung auf dem Prüfstand

Die IT im Mittelstand bedient sich zunehmend Systemhäusern, also den Softwarepartnern der großen Vendoren, bei der Beschaffung und Implementierung von Transformationsprojekten. Die Systemhäuser haben i.d.R. einen Fokus auf bestimmte Fachprozesse oder Branchen und gelten als flexibler als die Softwareriesen SAP oder Oracle. Sie gelten als gute Zuhörer und entschlüsseln für das Anwenderunternehmen häufig die wahre Leistungsfähigkeit der Software aufgrund des Branchen-typischen Implementierungswissens. Für spezielle Prozessabläufe liefern sie sinnvolle Systemergänzungen, welche der Hauptvendor nicht als Teil seines ‚Standards‘ sieht. Doch was bedeutet dies für die Kostenentwicklung des Software-Portfolios oder des Transformationsprojekts? Ziehen alle Beteiligten einen fairen Nutzen aus der geballten Kompetenz des Systemhauses?

Anwendungs-Templates: Wie nah ist das Systemhaus am Kunden?

Bereits in den 90er Jahren machte das Word ‚Template‘ die Runde, als viele darunter noch ein Synonym für das Tabellenkalkulationsblatt sahen. Gemeint war aber die Vorgabe von Systemparametern, um in der komplexen Standardsoftware die Einstellungen zu vereinfachen bzw. für bestimmte Prozessgruppen festzuhalten. So hatte SAP z.B. daraus bald ‚best practice‘-Systeme voreingestellt, während sich Oracle durch Zukauf von Spezialanwendungen zur Ergänzung ihres Prozessportfolios einen Namen machte und den Systemhäusern die Integration weitgehend überließ.

Diese Initiativen wurden in der Folge von kleineren Softwarehäusern verfeinert und für einzelne Branchen mit Zusatzsoftware ergänzt, die für die Nutzbarkeit im Mittelstand häufig entscheidend war. Denn gerade der Mittelstand mit seinen flexibelen Prozessen und der hohen Innovationskraft brauchte stets Prozessabläufe, die in bestimmten Nischenmärkten einen Wettbewerbsvorteil begründen konnte. Geboren war damit der ideale Partner für diese Anwendungsunternehmen, die sich als Branchenspezialist bzw. Systemhaus outete. Sprachgebrauch, intime Kenntnisse der Kernprozesse und die ständige Interaktion mit den Wettbewerbern ihrer Kunden ließ bei einigen Systemhäusern eine Kompetenz entstehen, die nur durch die Wechselambitionen karriererorientierter Spezialisten gelegentlich gefährdet wurde.

Nach 2000 folgte die Marktkonzentration, um das Wachstum mit Stabilität zu vereinen und die Systemhäuser erkannten, dass kompetente Projektleitung und Change-Management bei den Endanwendern einen höheren Stellenwert hat, als die Branchen-Spezialisierung. Und so ist das Anwendungstemplate heute nur noch ein Feigenblatt für den Zwang zur effizienten Einführung von komplexen Systemen: Im Vordergrund steht erneut das Standardsystem, die Story der Anpassung an die betrieblichen Erfordernisse hat nur noch kurze Beine.

Software-Lock-In: Lösen Systemhäuser dieses Dilemma?

Vor Jahren hat ein weitsichtiger IT-Manager bei SAP gesagt, dass der Softwaremarkt demnächst seine Kinderschuhe abstreifen wird und sich dem Automarkt angleichen wird. Schon heute gleicht keine SAP-Implementierung der anderen und die Systemhäuser haben keine andere Wahl, als sich vollständig unter das Kuratel der Vendoren-Instruktionen und -Schulungen zu stellen. Es gibt mittlerweile den SAP- und den Oracle-Kosmos und der Wechsel der Systemfamilien gleicht dem Verlassen der Galaxie durch das Starship Enterprise. Die Systemhäuser sind SAP- bzw. Oracle-gebranded und zeigen sich auf den jeweiligen User-Konferenzen ihrer Gemeinde. Lediglich die Open-Source Community scheint das Thema Integration noch auf der Agenda zu haben, ansonsten herrscht Verdrängungswettbewerb.

Dabei gerät der Kunde völlig unter die Räder, er wird zur Cash-Cow und wird durch das Gebahren des Account Executives manchmal zu der Frage getrieben, ob er je diese Partnerschaft hätte eingehen sollen. Schlüssel zum Cash-Flow sind die Softwarelizenzen und der scheinbar undurchdringliche Dschungel von Nebenbedingungen und Willkür. Das Systemhaus ist verlängerter Arm der Vendoren und ist gezwungen, mit den Wölfen zu heulen. Es ist der Überbringer der Botschaften und profitiert letztlich von den Zumutungen, denen der Kunde ausgesetzt wird. Es kann bestenfalls dem Kunden bei der Lizenzauswahl das geringere von zwei Übeln empfehlen, wenn es überhaupt Optionen zur Umsetzung von notwendigen Funktionen gibt. In diesem Fall ist eine genauere Analyse durch unabhängige Lizenzberatung angezeigt.

Interessenkonflikt durch doppelte Erlösquellen?

Das Systemhaus soll ein anspruchsvolles Integrationsprojekt abliefern, das dem Kunden eine fortschrittliche und kosteneffiziente Anwendung bereitstellt. So erwartet es der Kunde, weil das Systemhaus eine Schlüsselkompetenz hat: Es hat schon andere Kunden glücklich gemacht!?

Das Verhalten des Systemhauses gegenüber dem ‚Partner‘ Kunde ist aber in gewisser Weise durch die Vendor-Partnerschaft korrumpiert. Die Projektprofitabilität für das Systemhaus steigt jedenfalls mit dem Umfang der Software, die für die Umsetzung des Projekts erforderlich ist. Es ist daher völlig unpassend, wenn der Kauf der Software lediglich eine Fußnote oder ein Anhang des Projektvertrags ist. Es ist überhaupt fraglich, ob der Implementierer der Software auch der Verkäufer sein sollte. Nicht selten kommt es während eines Projektes zu der Erfordernis, die Lizenzstückliste nochmals nachzubessern. Eben dann, wenn man im Projekt ‚erkannt‘ hat, dass bestimmte Komponenten ein erheblich besseres Ergebnis garantieren. Es lohnt sich hier also nachzuprüfen, wer den Weg in diese ‚Überraschung‘ begründet hat, der Kunde oder der Systemhaus-nahe Berater.

Der Nachkauf zusätzlicher Lizenzen innerhalb eines Projekts sollte aus Sicht der ursprünglichen Beauftragung und der Sicherstellung des Kaufzwecks verhandelt werden. Hierbei kann die kombinierte Expertise aus Lizenzberatung und IT-Vertragsrecht, wie sie z.B. auditprotect mit ihrem dualen Ansatz bietet, dafür sorgen, dass keine unbilligen Mehrkosten auf den Auftraggeber zukommen.

Vertragliche Abhängigkeiten on Top?

Zu Beginn der unternehmerischen Entscheidung stand ursprünglich die Lieferantenauswahl der Lösung. Damit war der Kunde auf das Ökosystem des Vendors festgelegt. Jetzt gilt es aber, das passende Systemhaus zur Umsetzung auszuwählen. Dabei werden vielfach RFPs und andere Anforderungsprofile gebildet, um eine möglichst wissenschaftliche Auswahl zu treffen. Was in dieser Auswahl regelmäßig zu kurz kommt, ist die vorausschauende Bewertung der Vertragswerke. Das gewiefte Systemhaus wird seine vielschichtigen Unterlagen dazu bis zuletzt zurückhalten.

Umfangreiche Vertragswerke eines Systemhauses sind den vielen Abhängigkeiten und Veantwortungen geschuldet, die viele Akteure auf ein (hoffentlich) gemeinsames Ziel verbinden. Je größer der Regelungsumfang, desto weniger Bedeutung wird dem Papier zugemessen: Für den Mittelstand hat Partnerschaft einen hohen Stellenwert, und diese Partnerschaft beweist sich bei der Auswahl der Geschäftspartner. Um den vertraglichen Abhängigkeiten Paroli zu bieten, ist ein klar definierter Eskalationspfad auf Basis von Grundsatzerklärungen oder Governance-Prinzipien ein wichtiger Schritt. Auch der Umgang mit inkludierten Bedingungswerken des Vendors oder anderer Dritter sollte sich grundsätzlicher Geschäftsprinzipien beugen, die bei der Wahl des Systemhauses festgeschrieben gehören. Diese Feinarbeit sollte man nur besonders erfahrenen IT-Juristen überlassen.

Wartungskostenreduzierung: Welche Rolle spielt das Systemhaus?

Am Ende des Tages wird der Auftraggeber sich sagen: Was hat mich das alles gekostet? Besonders heikel ist dabei, dass auch für die weite Zukunft mit einem Software-Integrationsprojekt wiederkehrende Wartungskosten in erheblichem Umfang geschuldet werden. Dies ist nicht nur für den Softwareriesen seine wichtigste Ertragssäule, sondern auch für das Softwarehaus. Der Anteil der Wartungskosten, der beim Systemhaus verbleibt, beträgt gut 25% der Gesamtwartung und ist somit für das Softwarehaus äußerst lukrativ. Es ist die Entlohnung für die Mitwirkung beim Verkauf der Lizenzen; eigene Wartungsaufwendungen hat das Systemhaus nur in Bezug auf selbst beigesteuerte Software, also für die Ergänzungsfunktionen. Wenn das Systemhaus auch bei der Neukundenwerbung oft auf einen Teil dieser Marge verzichtet, so macht es dies meist nur temporär. Kurz gesagt, ist weder das Systemhaus, noch der Vendor an einer Verringerung der Wartungsaufwände interessiert.

So bleibt das Anwenderunternehmen auf unabhängige Beratung angewiesen, will es seine Fixkosten wirksam senken. Diese kann die Nützlichkeit des Lizenzmixes und die Preisüblichkeit des Angebots überprüfen. Im Vorfeld ist eine solche Beratung besonders effektiv: Die vertraglichen Abhängigkeiten können durch Kontrollmechanismen und vertragliche Governance so entschlackt werden, dass sie im Falle neuer Gegebenheiten auch wieder aufgelöst werden können. Solche Regelungen können wie ein Jungbrunnen wirken und alle Akteuer auch in der Zukunft darauf verpflichten, dass nur der Erfolg des Kunden für den Lieferanten ein nachhaltiger Erfolg sein kann.

Peter Wesche

Peter Wesche ist Gründer von Doctor-License und war zuvor als Lead-Analyst für Software Asset Management bei Gartner tätig, mit über 3500 Kundengesprächen seit 2004 weltweit. Davor arbeitete er über 16 Jahre bei der SAP AG in Walldorf, zuletzt als Bereichsleiter und Projektleiter für die Auto-ID Infrastruktur. Seine Spezialität ist die Optimierung von Softwareinvestitionen, die sich aufgrund der komplexen Lizenzregeln und der individuellen Einkaufshistorie einer einfachen Systematik entziehen.

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